NWTN BEIM THEMENFESTIVAL “KÜNSTLICHE INTELLIGENZ”

Zamina Ahmad (l.) zum Thema vorurteilsfreie KI-Lösungen, Simon Graff (r.) über die Zukunft von Kreativität und Content-Produktion

Februar 2024, von Karoline Malke. Das erste Themenfestival für die Medien- und Digitalwirtschaft von nextMedia.Hamburg im SPACE war noch ein Geheimtipp, aber restlos ausgebucht. Vor allem das Thema “Künstliche Intelligenz” und das hochkarätige Lineup haben zahlreiche Teilnehmer:innen in den neu geschaffenen Coworking Space in der Hamburger Speicherstadt gelockt. nwtn war an zwei Tagen rund um die Themen Creativity und Content dabei. Unsere 5 Learnings: 

1. Du brauchst eine Idee oder ein Konzept

Large Language Models (LLMs), wie ChatGPT basieren auf statistischen Mustern und haben kein wirkliches “Verständnis” für Sprache haben. Es braucht also immer eine gute Idee und auch eine präzise Wortwahl (am besten in Englisch), um dieses im Grunde triviale System aus Datenanalyse und Wahrscheinlichkeiten zu einem kreativen Partner zu machen. Je nach Anwendungsgebiet variieren die KI-Tools, die sich dafür nutzen lassen. Oft ist es sinnvoll, einige “Favoriten” auszuwählen und diese auch untereinander zu kombinieren, um Ideen und Konzepte umzusetzen. Gute Cases gibt es inzwischen viele: Die AI-Banking-Kampagne “ING FutureMe” animierte Nutzer, ihre Vorstellung vom Ruhestand zu visualisieren und sich damit Gedanken über die Rente zu machen. Die Homeless Gallery macht die Lebensgeschichten Obdachloser mit KI-Kunst sichtbar. Aber auch kleine Alltagsaufgaben wie Moodboards oder Inspiration für Social Media Posts können mit der KI schneller und kreativer erstellt werden, wenn die Idee hinter dem Prompt klar ist.  

2. Du brauchst klare Ziele und Anwendungsfälle

Kommunikationsabteilungen, die KI nutzen möchten, sollten sich vorab sehr gut überlegen, für welche Anwendungsfälle dies wirklich sinnvoll ist, wie die Lösung aussehen soll, was die Ziele sind und wie künftig mit der KI, aber auch mit den notwendigen Daten umgegangen werden soll.    

3. Du brauchst einen gesunden Menschenverstand

In den Daten, mit denen LLMs trainiert werden, sind bestimmte Gruppen oft über- oder unterrepräsentiert, was zu möglichen Verzerrungen und schlimmstenfalls zu Diskriminierung führen kann. Im besten Fall bewertet ein diverses Team die KI-generierten Ergebnisse. Denn auch wer sich selbst für integer hält, kann oft nicht alle Perspektiven auf bestimmte Darstellungen oder Formulierungen überblicken. Die gute Nachricht: Algorithmen lassen sich beeinflussen/trainieren. Wer beispielsweise ChatGPT kontinuierlich die eigenen Werte und den richtigen Kontext mitgibt, kann vorurteilsfreie Ergebnisse fördern. 

4. Du brauchst Zeit, Budget und Wissensdurst

Alle, die sich nur im Ansatz mit KI beschäftigen, bemerken schnell, wie umfassend dieses Thema ist und wie rasant die Entwicklungen auf diesem Gebiet sind. Wer das Potenzial von KI wirklich ausschöpfen möchte, muss Zeit und Geld investieren. Mit einigen kostenlosen Tools, lässt sich spielen und probieren. Wer in die Spezialisierung gehen möchte, wird um Abo-Modelle, wie wir sie heute beispielsweise bei Microsoft-Office und Adobe-Produkten haben, nicht mehr herumkommen. Die Alternative ist eine firmeneigene KI. 

5. Du kannst mit KI aber auch einfach eine Menge Spaß haben

Was das Themenfestival aber vor allem gezeigt hat, ist der Spaß, den KI bringen kann. Beim Prompt Battle mit Mit Ninu Dramis (Ahuman Studio) und dem Design Zentrum Hamburg wurden schaurige Horrorfilmfiguren in Alltagssituationen und futuristische Küchengeräte geprompted. Das Publikum durfte abstimmen, welche Ergebnisse sie am meisten überzeugt haben. Beim KI Content Quiz mit Melina Deschke (Rocket Beans) wurden alle Aufgaben und Fragen mit KI generiert. Und überhaupt hatte das Thema KI in allen Festival-Sessions einen enormen Unterhaltungsfaktor, weil es noch immer viele Wow- und Aha-Momente gibt.

Tools & Leseempfehlungen

AUDIO IST DIE KÖNIGSDISZIPLIN

In unserem Format: nwtn Essentials – Der Talk hat Leif Ullmann den aktuellen Podcast Hype eingeordnet.

Alle reden über Podcasts. Echter Trend? Oder Sau, Dorf, dankeschön?

Ganz klar nachhaltiger Trend und nicht nur Hype. Das belegen seit Jahren steigende Abrufzahlen. Nachdem das Radio über Jahrzehnte daran gearbeitet hat, jeglichen „Inhalt“ aus dem Programm zu dudeln, hat sich das Wort neue Bühnen gesucht und dank smarter digitaler Broadcasting-Mittel auch gefunden. Auch in Marketing und Kommunikation spielen Podcasts eine immer größerer Rolle. Mit viel Luft nach oben: In einer fischerAppelt Studie zum Marketingmix der Zukunft setzen nur 5 Prozent entschieden auf die neuen Audio-Möglichkeiten.

Podcasts dauern häufig sehr lang, während die Aufmerksamkeitsspanne abnimmt. Wie geht das zusammen?

Der Podcast-Konsum liegt vor allem in den sogenannten digitalen Ruhephasen der Menschen. Gründe für diese Ruhephasen können eingeschränkte Smartphone-Nutzung sein (etwa im Auto/DB/Flugzeug oder beim Joggen/Fitness) oder die sogenannte Drive Time auf dem Rückweg von der Arbeit, vor dem Einschlafen oder während Tätigkeiten, die keine sonstige kognitive Leistung erfordern. Er ersetzt aber immer häufiger auch den morgendlichen Radiokonsum, vor allem durch journalistisch geprägte Morningbriefings.

Wie springen Unternehmen auf den Podcast Hype auf?

Audio pflegte jenseits von Funkspots oder Radiomaterndiensten im Marketing lange ein totales Nischendasein. Zuhören war einfach nicht sexy. Über visuelle Reize oder knackige Claims ließen sich Produkte und Markenbotschaften einfach besser verkaufen. Aber aktuell tut sich was, Unternehmen fangen an auszuprobieren. Entweder, in dem sie sich auf ein bestimmtes Thema fokussieren, etwa aus dem Bereich Wissenschaft oder Lebenshilfe, das sich aus ihren Produkten oder Kernkompetenzen ableitet, oder aber als Employer Branding Podcast, der für interessierte Bewerber:innen ebenso funktioniert wie für die eigene Belegschaft.

Was braucht es denn für gutes „Branded Audio“?

Aktuell erfolgreiche Podcast-Formate leben von starken Personalities – oft auch als Duo oder Trio. Die Presenter:innen sind also ausschlaggebend für den Erfolg. Sie sind das zentrale Bindungselement für den Hörer. Zudem vertreten sie oft klare Meinungen und Positionen und zeigen sich auch von ihrer persönlichen und privaten Seite. Das sind alles Dinge, mit denen sich Marken und Unternehmen traditionell schwer tun. Sie sind es eher gewohnt zu „inszenieren“ und sich bei polarisierenden Themen möglichst neutral zu geben. Also eher Voraussetzungen bei denen einem die Ohren einschlafen.

Mit welchen Themen könnte man punkten?

Schaut man in die Podcastcharts, dann ist das Themenspektrum sehr vielfältig. Sexualität, Beziehungen, Frauen- und Männerklischees sind traditionell hoch gerankt. Andere erfolgreiche Podcasts zeichnen sich durch eine starke monothematische Ausrichtung wie Fußball, Wissen und Politik oder Crime aus. Aus meiner Sicht wichtig: Das Thema muss zum Absender passen und es muss von Sekunde eins eine Leidenschaft zu spüren bzw. hören sein. Und Leidenschaft kann man nicht skripten oder spielen. Deshalb sind Pornofilme auch so langweilig – Sexpodcasts aber voll im Trend.

Podcasts als neuer Porno?

Nein, Pornos funktionieren nach wie vor, aber nur auf visueller Ebene. Audio hingegen ist in der Vermittlung von Inhalten die anspruchsvollste Disziplin. Es muss allein über den akustischen Kanal funktionieren. Dieser Herausforderung sollten sich alle – die jetzt zum Aufnahmegerät greifen – klar sein.